Ein ziemlich mieses Spiel der ETU?

(Ein Gastbeitrag von Peter Bolz) – Jeder kennt wohl das alte deutsche Sprichwort „Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen!“. Diese Weisheit bekommen immer die zu hören, die bei anderen mit aller Schärfe Verfehlungen kritisieren, die sie auch in gleicher oder in ähnlicher Form begehen. Für viele ist so ein Verhalten eine ziemlich schäbige Form von Doppelmoral.

Ganz offensichtlich hat sich auch die Führungsspitze der Europäischen Taekwondo Union (ETU) vor zwei oder drei Jahren mit diesem „Doppelmoral“-Virus infiziert – und wird ihn einfach nicht mehr los. Während die Führungsriege der ETU bei ihren eigenen Mitgliedsnationen immer wieder angeblich begangene Verfehlungen gegen geltende Satzungen und Vorschriften mit drakonischen Mitteln sanktioniert, scheint sich ETU-Präsident Sakis Pragalos herzlich wenig Gedanken darüber zu machen, ob seine Entscheidungen mit dem geltenden Regelwerk, also der ETU-Satzung und den Ordnungen, in Einklang stehen.

Kein Wunder, dass sich immer mehr Mitglieder die Frage stellen, ob sich die ETU wirklich noch so für ihre Sportnationen einsetzt, wie dies eigentlich der Fall sein sollte. Mittlerweile sind immer mehr Mitglieder der Meinung, dass die Ordnung in der ETU so langsam aber sicher komplett verschwindet. Immer mehr haben das Gefühl, dass in der ETU inzwischen jeder machen kann, was er will – zumindest dann, wenn er zum Dunstkreis des Präsidenten gehört. Und das alles – und das ist das gefährliche daran – ganz offensichtlich ohne jegliche Kontrolle. Das bedeutet, das demokratische Verständnis hat Risse bekommen.

Trauriger Rekordhalter
Es ist ein sehr trauriger Rekord, der von der ETU aufgestellt wurde. Innerhalb von nur zwei Jahren hat „unser“ europäischer Verband vier seiner eigenen nationalen Verbände suspendiert. Außerdem hat dieser Verband eines seiner eigenen Mitglieder aus dem Executive Board bei einer schäbigen Rufmordkampagne unterstützt, hat einen in seiner eigenen Nation in Ungnade gefallenen ehemaligen Präsidenten zum ETU-Ehrenpräsident ernannt, hat gegen den Willen vieler Nationen die Europameisterschaft (U21) in ein Krisengebiet gelegt, hat offensichtlich mehrfach gegen die eigene Satzung und gegen die Satzung der WTF verstoßen und – und das dürfte wohl das Schlimmste sein – die Rechte der eigenen nationalen Mitglieder aus purem Eigennutz mit Füßen getreten.

Wie drakonisch die ETU gegen seine eigenen Mitglieder vorgeht, wird schon alleine daran deutlich, dass weltweit außer vier europäischen Suspendierungen nur ein einziger Fall bekannt ist, bei dem ebenfalls ein Verband suspendiert wurde. 2012 wurde Indien von der World Taekwondo Federation (WTF) suspendiert, weil es Differenzen mit dem indischen olympischen Verband gab. Man muss es noch einmal sagen: der Weltverband hat den indischen Verband suspendiert und nicht der kontinentale Verband, also nicht die Asian Taekwondo Union (ATU).

Nach dem derzeitigen Kenntnisstand hat außer der ETU noch kein einziger kontinentaler Verband eine Suspendierung ausgesprochen. Dafür schlug der europäische Verband gleich vier Mal wohlgefällig zu! Schon alleine das macht deutlich, mit welcher Holzhammer-Methode die ETU gegen ihre eigenen Nationen vorgeht. Man kann durchaus die Frage stellen, ob die Sanktionen tatsächlich nur im europäischen Interesse erforderlich waren oder ob – was allerdings nur hinter vorgehaltener Hand erzählt wird – dabei auch persönliche Interessen eine Rolle spielten.

Fadenscheinige Gründe
Dass es sich bei diesen suspendierten Nationen um Schweden, Belgien, Deutschland und zuletzt auch noch um Griechenland handelte, dürfte allgemein bekannt sein. Nicht bekannt sind den meisten aber die Gründe, die zu diesen drakonischen Sanktionen aus der Sicht des ETU-Präsidenten erforderlich waren – und letztendlich dazu führten, dass den Sportlern, Vereinen und Funktionären damit die Teilnahme am Sportbetrieb nur noch mit Sondergenehmigungen möglich waren.

Ein kurzer Blick auf die angeblichen Gründe für die Suspendierungen lohnt sich. Im Falle von Schweden stellte die ETU nach den dort durchgeführten Neuwahlen im Mai 2014 fest, dass die Satzung des schwedischen Verbandes nicht mit den Statuten der WTF und der ETU im Einklang seien. Daraufhin wurde Schweden – immerhin Mitglied der ETU seit 1977 – mehrfach aufgefordert, die eigene Satzung zu ändern. Schweden erklärte im September 2014, dass aus zeitlichen Gründen eine neue Satzung erst im April 2015 beschlossen werden könne. Daraufhin wurde Schweden im Oktober 2014 von der ETU suspendiert.

Belgien wurde dann im November 2014 suspendiert, und zwar ebenfalls wegen scheinbar grober Verletzungen der ETU- und WTF-Statuten. Ob es bei dieser Suspendierung tatsächlich nur um die belgische Statuten ging, wird mittlerweile immer stärker angezweifelt. Die wahren Hintergründe dieser Suspendierung liegen, zumindest für die Basis, im Dunkeln. Belgien war 1976 eines der Gründungsmitglieder der ETU. Mit anderen Worten, 38 Jahre lang interessierte sich niemand für die Statuten des belgischen Verbandes!

Im Februar 2016 wurde Deutschland von ETU-Präsident Sakis Pragalos suspendiert. Als Grund für die überraschende Suspendierung bezog sich Sakis Pragalos auf ein Schreiben des damaligen umstrittenen deutschen Präsidenten Park Soo-Nam, der dem engeren Kreis von Sakis Pragalos zuzurechnen ist. Wie sich herausstellte, handelte sich bei dem Schreiben um eine E-Mail, in der Park Soo-Nam ganz offen um eine Suspendierung des deutschen Präsidiums – also seiner Widersacher, mit denen er beim Gericht einen Streit hatte – bat. Auf den Punkt gebracht handelte es sich – zumindest in diesem Fall – um eine „bestellte“ Suspendierung! (siehe – Bericht)

Griechenland war dann im März 2016 an der Reihe. Wie einem Schreiben des ETU-Präsidenten Sakis Pragalos an das griechische Sportministerium entnommen werden konnte, ging es bei dieser „mit sofortiger Wirkung“ ausgesprochenen Suspendierung eigentlich nur darum, dass vom griechischen Ministerium das ETU-Trainer-Lizenz-System nicht anerkannt wurde. Weshalb die ETU-Führung in diesem Fall eine Suspendierung gegen alle griechischen Sportler, Trainer und Funktionäre aussprach, ist nicht ganz nachvollziehbar. Vermutet wird, dass man das griechische Ministerium damit zwingen wollte, das Lizenz-System rund um die griechischen Trainer doch noch anzuerkennen – was das Ministerium natürlich strikt ablehnte! (siehe Bericht)

Ein europäisches Trauerspiel
Es ist schon erstaunlich, wie knallhart die ETU bei ihren eigenen Mitgliedsnationen auf die Einhaltung der Satzungen pocht. Wenn es aber darum geht, die eigenen Interessen durchzusetzen, hat man in der ETU-Führung überhaupt keine Skrupel, die Vorschriften der WTF-Satzung und die Vorgaben in der eigenen Satzung zu missachten. Dies war sehr oft dann der Fall, wenn es um lukrative Einnahmequellen ging.

Zu den jüngsten Beispielen, bei denen dieses europäische Trauerspiel aufgeführt wurde, gehört so gut wie alles rund um den sogenannten WTF Presidents Cup. Viele Details, die mit der Organisation dieses G2-Turniers im Zusammenhang stehen, kann man eigentlich nur als dubios bezeichnen und geben deshalb auch Anlass für wilde Spekulationen.

Üblicherweise kommen nur die Präsidiumsmitglieder der nationalen Verbände als Ansprechpartner für die ETU-Führung in Frage, vor allem dann, wenn es darum geht, eine geplante Meisterschaft im Hoheitsgebiet dieser Nation durchzuführen. Alles andere käme einer Einmischung in nationale Angelegenheiten gleich. Und so etwas ist gemäß Artikel 16.1 Nr. 1 der WTF-Satzung nicht statthaft. (siehe Link)

Bis heute kann sich niemand so richtig erklären, weshalb es sich ETU-Präsident Sakis Pragalos in den Kopf gesetzt hat, den WTF Presidents Cup unbedingt mit dem deutschen Landesverband in Nordrhein-Westfalen (NWTU) auszurichten. Gemäß Artikel 17.6 der ETU-Satzung richten eigentlich nur die nationalen Mitgliedsverbände die von der ETU geförderten Meisterschaften – mit Zustimmung der ETU – aus. Das Bundesland Nordrhein-Westfalen wird in der ETU-Satzung kein einziges Mal erwähnt! (siehe Link)

Dass neben dem allgemeinen Unverständnis für das satzungswidrige Verhalten auch eine Portion Unbehagen mitschwang, lag unter anderem wohl auch daran, weil es sich bei dem damaligen NWTU-Präsident um den anderweitig ins Kreuzfeuer geratenen ETU-Schatzmeister Antonio Barbarino handelte. Wie allgemein bekannt sein dürfte, wurde Antonio Barbarino von den NWTU-Vereinen als Präsident abgewählt und Musa Cicek zum neuen Präsident der NWTU gewählt. Erst danach stellte sich heraus, dass es bezüglich der Ausrichtung des Presidents Cup kein Vertrag zwischen der ETU und der NWTU existierte.

Null Transparenz
Wer letztendlich der Verhandlungspartner der ETU war, steht bis heute nicht fest. Angeblich wurde der Presidents Cup von einem bis heute offiziell nicht bekannten deutschen Verein aus dem Dunstkreis des Antonio Barbarino sowie mit tatkräftiger Unterstützung von Kenneth Schunken – dem persönlichen Sekretär von Präsident Pragalos – durchgeführt. Fest steht eigentlich nur, dass auch ETU-Schatzmeister Antonio Barbarino die Fäden in der Hand hielt. Und genau das erzeugt bei vielen ein deutliches Unbehagen. Der Schatzmeister wird nämlich laut Satzung vom ETU-Präsident ernannt. Schon alleine um Gerüchten vorzubeugen, hätte man bei dieser obskuren Ausrichterei für ein Minimum an Transparenz sorgen müssen.

Natürlich soll hier nichts unterstellt werden. Aber wenn der ETU-Präsident einen Schatzmeister ernennt und dann anschließend mit diesem – am nationalen Verband vorbei – vollkommen intransparent und in unüblicher Manier ein internationales Turnier ausrichtet, dann darf man sich über aufkommende Gerüchte nicht wundern.

Nur am Rande sei hier erwähnt, dass im Zusammenhang mit der Organisation dieses Turniers auch eine Strafanzeige wegen Betrugs erstattet wurde.

Bereits bei den Vorbereitungen des WTF Presidents Cup wurde auch für Außenstehende deutlich, dass in der personell zum Teil neu besetzten ETU-Spitze ein krasser Gesinnungswandel stattgefunden hat. Während man unter der Zeit des ehemaligen Generalsekretärs Gerrit Eissink peinlich genau darauf achtete, dass alle Beschlüsse im Sinne des geltenden Rechts durchgeführt wurden, hat sich die ETU für Außenstehende zu einem wahren Tollhaus entwickelt, bei dem Regeln offensichtlich keine Rolle mehr spielen.

Wilde Versprechungen
Dies wurde auch beim WTF Presidents Cup deutlich. Um möglichst viele Teilnehmer anzulocken, machte die ETU-Führung die Zusage, dass sich jeder Medaillengewinner automatisch für die Teilnahme an der nächsten Europameisterschaft qualifiziert hat, und zwar für die Alters- und Gewichtsklasse, in der er die Medaille gewonnen hat.

Um den nationalen Verbänden ihr jahrzehntelang bestehendes Recht auf die Nominierung ihrer Wettkämpfer zu entziehen, wurde von der ETU eine eigene Ordnung erstellt. In dieser aus fünf Artikeln bestehenden „Bylaw WTF Presidents Cup“ (siehe Link) wurde den nationalen Verbänden vorgeschrieben, dass sie die Medaillengewinner des WTF Presidents Cups nicht daran hindern dürfen, bei den Europameisterschaften an den Start zu gehen. Mit anderen Worten, die Mitgliedernationen sollen gezwungen werden, auf ihre bisherigen alleinigen Nominierungsrechte zu verzichten und die Einmischung in ihre nationale Souveränität klaglos zu dulden. Die von der ETU nominierten Sportler gehen bei den Europameisterschaften als angebliche Mitglieder des jeweiligen Nationalkaders – und nicht als ETU-Nominierte – an den Start!

Das extra für den WTF Presidents Cup erstellte Konzept sowie die dafür extra erlassene „Bylaw WTF Presidents Cup“ wurde den Nationen am 20. Oktober 2015 bei einem ETU Council Meeting in Riga (Lettland) im Rahmen einer Präsentation vom ETU-Schatzmeister Antonio Barbarino vorgestellt. Eine Abstimmung über diese Bylaw gab es nicht. (siehe Link)

Ein Verband dreht durch
Nachdem es die Nationen ohne Proteste akzeptierten, dass sich die ETU bei der Nominierung der Wettkämpfer für internationale Meisterschaften ein Mitspracherecht einräumte, verlor man in der europäischen Zentrale in Athen offensichtlich jede Hemmung. In einer Folgezeit wurden die Nominierungsregeln kurzfristig mehrfach geändert.

Kurz vor der Eröffnung des Presidents Cup hieß es plötzlich, dass sich nicht jeder Medaillengewinner qualifizieren würde, sondern „nur“ die Goldmedaillengewinner. Ernstzunehmende Gründe, weshalb die Nominierung so schnell wieder geändert wurde, sind nicht bekannt. Ebenso wenig ist bekannt, ob für diese neuerliche Änderung auch die „Bylaw WTF Presidents Cup“ geändert wurden.

Offensichtlich gab es wohl einige Herren in der ETU-Spitze, die mit den geänderten Nominierungskriterien immer noch nicht so recht zufrieden waren. Aus diesem Grund änderten sie einen Monat vor der anstehenden Europameisterschaft der Junioren (U21) noch einmal die bereits jetzt schon recht merkwürdigen Nominierungskriterien.

Zwei Wettkämpfer pro Nation
In einem Schreiben vom 27. Juni 2016 forderte Präsident Sakis Pragalos die Council Member auf, der ETU bis spätestes 6. Juli 2016 per E-Mail zuzustimmen, dass jede Nation bei der Europameisterschaft (U21) zwei Teilnehmer pro Gewichtsklasse nach Grozny schicken dürfe. (siehe Link)

Am 7. Juli 2016 teilte Sakis Pragalos den Council Member mit, dass der Beschluss mit 27 Stimmen und ohne Gegenstimme angenommen wurde und deshalb bei der Europameisterschaft (U21) von jeder Nation zwei Teilnehmer pro Gewichtsklasse an den Start gehen dürfen. (siehe Link) Zusammen mit dem „Goldmedaillengewinner“ konnte eine Nation demzufolge maximal drei Teilnehmer pro Gewichtsklasse an den Start schicken.

Vielleicht gibt es mittlerweile noch einen weiteren Beschluss, vielleicht haben aber auch nicht alle Nationen das neue ETU-Nominierungssystem verstanden. Russland und die Türkei meldeten nämlich in mehreren Gewichtsklassen mehr als die „erlaubten“ Zwei-plus-eins-Teilnehmer an. In der Klasse der Herren bis 54 kg standen fünf russische Wettkämpfer auf der Pool-Liste, wobei der „Goldmedaillengewinner“ aus Rumänien kam. In den Klassen 74 Kilogramm und 87 Kilogramm meldete Russland vier Teilnehmer an und in den Klassen 57 Kilogramm, 67 Kilogramm und 80 Kilogramm jeweils drei. Die Türkei war etwas zurückhaltender und nur in den Klassen bis 58 Kilogramm und 63 Kilogramm jeweils vier Wettkämpfer ins Rennen schickt und drei in der Klasse bis 80 Kilogramm.

Ganz ehrlich, strukturierte Entscheidungen sehen wirklich anders aus!

Wer legt die Nominierungskriterien fest?
Seit der Gründung des Weltverbandes WTF war es immer das alleinige Recht der nationalen Verbände, die Teilnehmer auszuwählen und zu benennen, die für ihre Nation bei internationalen Meisterschaften an den Start gehen dürfen.

Jetzt stellt sich natürlich die Frage, wer die Regelung hinsichtlich der Nominierungen der nationalen Sportler zu internationalen Meisterschaften überhaupt ändern darf? Darf ein kontinentaler Verband seinen Mitgliedern so ein elementares Recht wie die Nominierung seiner Wettkämpfer in einer Nacht-und-Nebel-Aktion entziehen? Nur weil man möglichst viele Wettkämpfer für die Teilnahme am WTF Presidents Cup ködern wollte.

Es stellt sich natürlich auch die Frage, ob der Weltverband die Nominierungskriterien ohne Zustimmung und hinter dem Rücken der Nationen im Hau-Ruck-Verfahren abändern darf? Darf der Weltverband einem kontinentalen Verband einfach mal so erlauben, dass dieser seine eigenen „Bylaws“ aufstellt? Schaut der Weltverband dem Treiben der ETU nur deshalb tatenlos zu, weil der WTF Presidents Cup laut Artikel 1.1 dieser Bylaws zu Ehren des WTF-Präsidenten Dr. Chungwon Choue durchführt wurde? Ist das die Rechtfertigung, dass man die Competition Rules der WTF missachtet? Man darf gespannt sein, wie der olympische Weltverband WTF auf so eine Respektlosigkeit reagiert.

Missachtung der WTF Anti-Doping Rules?
Wenn der Weltverband es zulässt, dass ein Verband wie die ETU eigenmächtig die „Bylaws WTF Presidents Cup“ erstellen darf und dabei die Vorschriften der Competition Rules missachtet, dann bewegt er sich auf sehr dünnem Eis.

Laut den WTF Competition Rules müssen sich alle Wettkämpfer, die bei Meisterschaften der WTF an den Start gehen, zwingend an die Richtlinien der „WTF Anti-Doping Rules“ halten. (siehe Link)

Wie aus den 88 Seiten bestehenden WTF Anti-Doping Rules entnommen werden kann, werden die nationalen Verbände verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Mitglieder ihres Nationalkaders sich peinlich genau an die Vorschriften der WTF Anti-Doping Rules halten, die übrigens im Einklang mit dem WADA Code 2016 stehen müssen. Bei Verfehlungen werden die nationalen Verbände in die Haftung genommen.

Nachdem die ETU durch die Änderung der WTF Competition Rules beschlossen hat, dass auch sie als europäischer Verband die Medaillengewinner des WTF Presidents Cup für die Teilnahme an den Europameisterschaften nominieren dürfen, übernimmt die ETU auch die Verantwortung für diese Wettkämpfer. Ob in solchen Fällen auch die WTF in der Pflicht steht, müsste noch geklärt werden.

Von der ETU wurden Medaillengewinner des Presidents Cup über das WTF-Anmeldesystem „Hangastar“ als Teilnehmer für die Europameisterschaft (U21) angemeldet, indem man offenbar dafür einfach das Benutzerkonto der Mitgliedsnationen nutzte. Und zwar ohne Wissen der nationalen Verbände. Schon dies macht deutlich, dass der europäische Verband sehr massiv auf sein neuerworbenes Nominierungsrecht drängt. (siehe Link)

Dem Weltverband wird angesichts des doch recht brisanten Themas dringend empfohlen, im Bezug auf die WTF Anti-Doping Rules so schnell wie möglich für Klarheit zu sorgen. Und das kann nur bedeuten, dass sie die ETU in ihre Schranken weist oder die WTF Anti-Doping Rules und natürlich auch die Competition Rules neu zu überarbeiten.

Verzahnung zwischen WTF und ETU
Welches Gremium darf beim Weltverband oder bei der ETU über einen Beschluss zur Änderung der Nominierungskriterien – sofern es überhaupt rechtlich möglich ist – abstimmen? Die Council Member oder die nationalen Präsidenten der Generalversammlung? Oder reicht es schon aus, wenn der WTF-Präsident oder der ETU-Präsident ihre Zustimmung geben?

Diese und ähnliche Fragen sind bei olympischen Sportfachverbänden in deren Satzungen und den dazugehörigen Ordnungen bis ins kleinste Detail geregelt.

Wer sich die Satzung der WTF und der ETU durchliest, dem fällt sofort auf, dass die ETU-Satzung im Einklang mit der WTF-Satzung steht. Beide Satzungen haben größtenteils den gleichen Wortlaut.

Im Artikel 3.1 der ETU-Satzung wird ausdrücklich festgehalten, dass das Regelwerk des Weltverbandes von der ETU als bindend anerkannt wird und die Grundlage für die Satzung der ETU darstellt. Damit wurde klar definiert, dass immer das Recht der WTF an erster Stelle steht. Die ETU kann demzufolge kein Regelwerk ändern, wenn dies von der WTF nicht ausdrücklich erlaubt wird.

Die Satzung der WTF
In der Satzung der WTF wird im Artikel 3.2 ausgeführt, dass alle Meisterschaften nach dem Regelwerk der WTF und den Ausführungen in den „Competition Rules“ zu erfolgen haben. In diesen so genannten Competition Rules sind alle Eckpunkte rund um einen Turnierablauf festgelegt. Um weltweit einen einheitlichen Turnierablauf zu gewährleisten, sind diese Eckpunkte für alle Ausrichter von Meisterschafen bindend. (siehe Link)

Im Artikel 4 dieser Competition Rules wird unter anderem auch festgelegt, wer die Wettkämpfer für ein WTF-Turnier qualifizieren darf. Wörtlich heißt es im Artikel 4.1 Nr. 2 unter der Überschrift „Qualification of Contestant“ („Qualifikation der Wettkämpfer“): (siehe Link)

One recommended by the WTF National Association

auf deutsch:
Eine(r) / Jemand, der von dem WTF-Nationalverband empfohlen wurde

Vom Weltverband wurde demzufolge eindeutig festgelegt, dass nur die nationalen Verbände einen Wettkämpfer für ein WTF-Turnier nominieren dürfen. Eine Ausnahme für die ETU wird im Artikel 4 der Competition Rules nicht erwähnt!

Im Kommentar zum Artikel 4 wurde von der WTF auf Seite 10 ausführlich ausgeführt, dass die nationalen Verbände – und nicht die ETU! – gegenüber der WTF dafür zu sorgen haben, dass die nominierten Wettkämpfer(innen) medizinisch untersucht wurden, nicht schwanger sind und mit angemessener Gesundheit und Fitness am Turnier teilnehmen werden. Außerdem wurden alle nationalen Verbände verpflichtet, die Unfall- und Krankenversicherung und die zivilrechtliche Haftung für ihre Wettkämpfer während der WTF-geförderten Meisterschaften zu übernehmen.

Nur um Missverständnissen vorzubeugen: Unter Artikel 1 der Competition Rules wird von der WTF ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Competition Rules sowohl für die WTF als auch für die kontinentalen Verbände und die nationalen Verbände gelten. Mit anderen Worten, auch die ETU hat sich gefälligst an dieses Regelwerk zu halten.

Um es auf den Punkt zu bringen. Die Vorgaben, wer die Wettkämpfer für internationale Meisterschaften nominieren darf, werden von der WTF geregelt. Die ETU hat kein Recht, diese Regelung in eigener Selbstherrlichkeit abzuändern. In ihrer eigenen Satzung hat sich die ETU im Artikel 21.1 ausdrücklich dazu verpflichtet, bei allen ETU-Meisterschaften die WTF Competition Rules beachten. (siehe Link)

Trotz dieses Lippenbekenntnisses hat die ETU – mit vollem Vorsatz und entgegen der geltenden Satzung der WTF – ihren Mitgliedsnationen ihr alleiniges Recht auf die Nominierung ihrer Wettkämpfer genommen. Präsident Sakis Pragalos hat aber auch vor aller Öffentlichkeit dem ganzen Weltverband und vor allem auch dem WTF-Präsident Dr. Chung-Won Choue sehr deutlich gezeigt, dass er sich auch nicht von der WTF davon abhalten lassen will, seine eigenen Interessen durchzudrücken. Wenn man bedenkt, dass der WTF Presidents Cup laut Artikel 1.1 der Byaw nur zu Ehren von Dr. Choue ins Leben gerufen wurde, ist das schon ein starkes Stück!

Trickreich die Rechte der Generalversammlung missachtet
In den letzten zwei Jahren hat die ETU-Führung immer wieder die Rechte ihrer Mitglieder ziemlich trickreich missachtet. Deshalb soll nachfolgend auch einmal auf diese speziellen Rechte der Mitgliedernationen eingegangen werden.

Sowohl bei beim Weltverband als auch bei der ETU ist die Generalversammlung das höchste Organ. Bei der ETU setzt sich die Generalversammlung gemäß Artikel 7.1 der ETU-Satzung aus den Vertretern der 50 nationalen Verbände sowie dem Council zusammen.

Im so genannten Council sind neben dem Präsidenten, den sechs Vizepräsidenten, dem Generalsekretär und dem Schatzmeister auch die 24 Council Member vertreten.

Rein rechnerisch besteht die Generalversammlung aus insgesamt 83 Stimmberechtigten.

Übrigens, drei der sechs Vizepräsidenten und 10 der 24 Council Member darf der ETU-Präsident – aus welchen Gründen auch immer! – ernennen.

Die Aufgaben der Council Member
Die Aufgaben der Council Member werden in der ETU-Satzung im Artikel 8.2 aufgeführt. Unter Buchstabe c) wird dort angeführt: (siehe Link)

Formulation, proposals of amendments and repeals of the ETU
Statutes, ETU regulations and Rules on Organization and Operation
of International Taekwondo championships, and bylaws and codes.

auf deutsch:
Formulierung, Änderungsvorschläge und Aufhebungen der ETU-
Statuten, ETU-Vorschriften und Regeln für die Organisation und
Durchführung der Internationalen Taekwondo Meisterschaften, und
Statuten und Codes.

Die Council Member haben also nur das Recht, eine „Formulierung“ für die beabsichtigten Änderungen auszuarbeiten.

Die Befugnisse der Generalversammlung
Ganz anders sieht es da mit den Rechten der Generalversammlung aus. Dort sind im Artikel 7.2 vor allem die unter Buchstabe b) und Buchstabe e) aufgeführten Befugnisse von Bedeutung.

Unter Buchstabe b) heißt es: (siehe Link)

Approval of formulation, amendments and repeals of the ETU bylaws
and regulations and Rules on Organization and Operation of Inter-
national / European Taekwondo championships;

auf deutsch:
Genehmigung der Formulierung, Änderung und Aufhebungen der
ETU-Statuten und Vorschriften und Regeln für die Organisation und
den Betrieb von internationalen / europäischen Taekwondo-Meister-
schaften;

Und im ebenfalls recht relevanten Buchstaben e) wurde festgehalten:

other matters of importance;

auf deutsch:
andere Angelegenheiten von Bedeutung;

Beim Vergleich der Aufgaben der Council Member und der Befugnisse der Generalversammlung wird eigentlich schnell deutlich, dass den Council Members nur das Recht zusteht, den Wortlaut für die die beabsichtigten Änderungen des Regelwerks und der Beschlüsse zu formulieren.

Der Knackpunkt mit der „Formulierung“
Anschließend – und das ist genau der Knackpunkt – müssen aber diese vorformulierten Änderungswünsche von der Generalversammlung genehmigt werden. Präsident Sakis Pragalos und sein Mitarbeiterstab muss sich also jede noch so kleine Änderung beim Regelwerk oder aber auch „andere Angelegenheiten von Bedeutung“ von der Generalversammlung genehmigen lassen.

Unter dem Passus „andere Angelegenheiten von Bedeutung“ fallen beispielsweise die Suspendierungen von Schweden, Belgien, Deutschland und Griechenland. Darunter fallen aber auch die Ausnahmen von dieser Suspendierung. Es kann also nicht sein, dass ein ETU-Präsident im Alleingang einen seiner Mitgliedsverbände wegen Verfehlungen gegen die ETU-Satzung vom gesamten Sportbetrieb suspendiert, danach aber aus eigener Gnade den suspendierten Wettkämpfern – gemeint sind hier die griechischen Wettkämpfer – die Teilnahme an einem internationalen Turnier erlaubt.

Ob auch die Ernennung einer Person zum ETU-Ehrenpräsidenten als „andere Angelegenheit von Bedeutung“ anzusehen ist, müsste und sollte für die Zukunft ebenfalls geklärt werden. Vielleicht könnte man sich dann darauf einigen, dass man bei der Auswahl der in Frage kommenden Kandidaten immer die Personen ausschließt, die als Funktionäre vorsätzlich gegen die Satzung verstoßen haben.

Die letzte Konsequenz
Natürlich steht nicht fest, wer innerhalb der ETU-Führung die ständigen Verfehlungen gegen die ETU-Satzung initiiert hat. Tatsache ist aber, dass Sakis Pragalos als Präsident der ETU die Verantwortung für die permanenten Verfehlungen trägt und für die Missachtung der Mitgliederrechte verantwortlich gemacht werden muss.

Und damit wären wir eigentlich wieder am Anfang dieses Artikels. Welche Konsequenz soll und kann man denn von einem Präsidenten erwarten, der mehrere Nationen mit der Begründung suspendiert hat, dass diese gegen die ETU-Satzung verstoßen hätten? Eine Möglichkeit wäre sicherlich ein ehrenvoller Rücktritt.

Anmerkung der Redaktion: Gastbeiträge geben die Meinung des jeweiligen Verfassers wieder und nicht die Meinung der Redaktion.

Autor: Der Jo

Holzhacken ist deshalb so beliebt, weil man bei dieser Tätigkeit den Erfolg sofort sieht. (Albert EInstein)